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Gebärdensprache erklärt

Was versteht man unter dem Begriff „Gebärdensprache“?

Die Gebärdensprache ist ein rein visuelles Kommunikationssystem und eine vollwertige Sprache, die an bestimmte grammatikalische Regeln gebunden ist. Sie wird als die Sprache der Gehörlosen bezeichnet. Oft wird angenommen, dass es weltweit eine einheitliche Gebärdensprache gibt, jedoch ist diese Vermutung nicht richtig. Beinahe jeder Kulturkreis verfügt praktisch über eine eigene Gebärdensprache, d. h. es gibt z. B. eine ASL (American Sign Language), eine deutsche, britische, französische, russische, chinesische usw.

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Gebärdensprache, wobei zwischen diesen und dem gesprochen Englisch, Deutsch, Französisch etc. Keinerlei Verbindung besteht. Insgesamt gibt es mehr als fünfzig eigenständige Gebärdensprachen. Selbst regional gibt es unterschiedliche Dialekte,
wie sie auch bei uns in der Lautsprache üblich sind. Da es daher keine Universalgebärdensprache gibt, findet meist eine Anpassung an andere Gebärden statt. Zwar gibt es eine sogenannte „International Sign Language“ (ISL), jedoch ist es üblich, dass auf internationaler Ebene ASL (American Sign Language) verwendet wird. Der sogenannte „ASL-Imperialismus“ hat meist dazu geführt, dass vor allem kleine Länder ihre Gebärdensprache der ASL angepasst haben.

Gebärden sind an sich bewusst erzeugte Bewegungen des Körpers, besonders der
Hände und Arme, um einem Partner Mitteilungen, Darstellungen, Hinweise etc. Übermitteln zu können. Die Bewegungen erzeugen ein „Bild“, wobei das Zeichenhafte der Gebärde zum Ausdruck kommt.

Gebärden sind Globalzeichen. Damit ist gemeint, dass sie Inhalte des menschlichen Erlebenskreises durch bildhaft-komplexe Darstellungen fassen. Sie stehen im Gegensatz zu den eigentlichen Sprachzeichen, die sich aus Einzelteilen wie Phonem, Graphem, phonem- oder graphemorientierten Fingerzeichen konstituieren. K

eine Gebärden sind mimische, pantomimische Bewegungen als unmittelbarer Ausdruck intrapsychischer Ereignisse, da die Absicht einer bewussten Mitteilung fehlt.

Auch Gesten müssen von den Gebärden eine Abgrenzung erfahren, da sie keine Bedeutung im Sinne eigenständiger Inhalte entwickeln, sondern Gesprochenes unterstreichen und pointieren. Kröhnert hat darauf hingewiesen, dass Kleinkinder von sich aus Gebärden entwickeln, um Wünsche, Bedürfnisse etc. mitzuteilen.

Oft kommt es aber zu Verständigungsproblemen, wenn die Eltern nicht gehörlos sind. Diese Gebärden werden zwar mit den Armen und Händen gebildet, jedoch besitzen die gebildeten Zeichen bei der Interaktion keinen determiniert zeichenhaften Charakter, sondern eine Signalfunktion.

Sie versuchen durch die selbst perzipierten Zeichen beim Empfänger ein bestimmtes Verhalten zu evozieren, wobei aber bei einer spezifischen Situation die Interpretationsbreite eines Inhaltes sehr groß sein kann.

Die in einem kommunikativen Bezug eingesetzten Gebärdensignale erlangen
deutlicher den Charakter von Abbildungen und Illustrationen. Diese werden deikitische Gebärden genannt und besitzen eine Hinweis- bzw. Richtungsfunktion.

Diese zählen wir nicht zum eigentlichen Gebärdenbereich. Was ist aber das Wesen der Gebärdensprache und wie gebärdet man überhaupt? Rammel erklärt dies folgendermaßen:

„Das Abbilden bzw. Illustrieren erfolgt durch Umrissgestaltung, durch Hervorhebung
besonders auffallender Umrisslinien mittels einzelner Finger (besonders
Zeigefinger), durch Flächendarstellung (flach geschlossene Hand oder Hände),
durch Erfassung der Dreidimensionalität (formgestaltende Hände), aber auch
durch Fixierung eines auffälligen Einzelmerkmals, wobei dann dieses das Ganze
meinen soll (pars pro toto). Das Zusammenspiel beider Hände und die Verwendung
taktiler und kinetischer Reize scheint beim Vorgang des Abbildens bzw. Illustrierens
eine Rolle zu spielen.“

Neue Wörter können auch in der Gebärdensprache entwickelt werden, sie sind lediglich abhängig von der „Schöpfungssituation“. In der Regel ist es aber so, dass sich Kinder durch die Wissenserweiterung (vor allem in den Gehörlosenschulen) neue Gebärdenzeichen aneignen. Mit zunehmender Kenntnis der Lautsprache wird das stumme bis normal stimmbegleitende Mitartikulieren beim Deuten mit Gebärden immer häufiger.

Zusätzlich gibt es noch ein Fingeralphabet, auch Graphemorientiertes Manualsystem
genannt, bei dem es für jeden Buchstaben ein bestimmtes Fingerzeichen gibt. Die86
ses wird oft in Kombination mit der Gebärdensprache verwendet aber auch gemeinsam in der lautsprachlichen Förderung benutzt.

Arten von Gebärden

Wir haben bereits erfahren, dass es unterschiedliche Gebärdensprachen gibt. Nun
gilt es, auch die verschiedenen Arten von Gebärden zu unterscheiden. In Anlehnung
an Kröhnert und Rammel wurde das Beispiel der deikitischen Gebärden angesprochen, die vor allem im Säuglings- und Kleinkindalter vorkommen.

Diese könnte man schon als Gebärdenart bezeichnen, wobei aber die zuvor angesprochene Interpretationsbreite sehr groß sein kann. Trotzdem spielen diese beim visuellen Spracherwerb auch eine große Rolle, vor allem, wenn die Eltern ebenfalls gehörlos sind und diese besser zu deuten vermögen, als hörende Eltern. Die deikitischen Gebärden sind mit den sporadischen Gebärden, die auch im Erwachsenenalter verwendet werden, vergleichbar.

Insgesamt spielen in der Gebärdensprache drei Arten eine wichtige Rolle: die künstlichen Gebärden, die natürlichen Gebärden und die sporadischen Gebärden.

Künstliche Gebärden:

Darunter versteht man in der Regel von einem vollsinnigen Fachmann oder Spätertaubten konzipierte und gelehrte Zeichen für spezifische Inhalte oder grammatikalische Positionen.

Die künstliche Gebärdensprache besteht aus natürlichen sowie übernommenen oder modulierten konventionellen Zeichen einschließlich lautsprachnaher Gebärden (etwa für Konjunktionen, Hilfsverben), wobei syntaktisch die Lösungsschemata der Lautsprache zugrunde liegen. Die künstliche Gebärdensprache geht auf die Pariser Schule des Abbé de l’Epée zurück.

Natürliche Gebärden

Darunter versteht man inhaltstragende Zeichen ohne lautsprachliche Begleitung, die
von einem bestimmten Sprachkreis unter Einschluss der vollsinnigen Verständigungsgemeinschaft verstanden und auch verwendet werden. Dabei gibt es aber Abstufungen.

Es existieren natürliche Gebärden, die weltweiten Charakter besitzen (z. B. für „essen“ und „trinken“) und über unseren Sprachkreis hinaus sowohl für hörende als auch für gehörlose Menschen verständlich sind. Eine weitere Stufung wären Zeichen, die noch als natürlich, aber nicht mehr als absolut eindeutig zu interpretieren sind.

Dies würde z. B. für das Wort „kochen“ gelten, da auch verwandte oder gar andere Inhalte daran gebunden sein können (z. B. „anrühren“ oder „mischen“). Gehörlose verwenden solche Zeichen sowohl im streng determinierten Sinn (z. B. „Regen“/„regnen“; „kochen“) als auch im unsicher determinierten Sinn (z. B. „kalt“ = „frieren“= „Winter“). Hier sind bereits Überschneidungen zu den konventionellen (künstlichen)
Gebärdenzeichen zu erkennen. Natürliche wie auch konventionelle Gebärden
heben sich insofern von den deikitischen Gebärden ab, da sie global konkrete und
abstrakte Phänomene unseres Erlebniskreises darstellen.

Sporadische Gebärden

Hier handelt es sich um solche Zeichen, die nur im kleinsten Kreise (Familie, Mutter-
Kind Dialog, Freundeskreis etc.) zur Anwendung kommen. Daher ist der Konventionalisierungsumfang äußerst gering.

Sporadische Gebärden entstehen in spezifischen Situationen und sind trotz eventueller natürlicher Anteile Außenstehenden meist unverständlich, da ihnen die Entstehungsbedingungen unbekannt sind.

Förderung durch die Gebärdensprache

In der Schwerhörigen- und Gehörlosenpädagogik ist die Förderung des gehörlosen
Kindes über die Gebärdensprache ein viel diskutierter Konflikt, der vor über 200 Jahren begonnen hat und bis heute nicht gelöst ist.

Es geht einfach um die Frage, und dies betrifft vor allem die Gruppe der Gehörlosen, ob die Förderung über die Lautsprache oder die Gebärdensprache erfolgen soll. Um diesen Konflikt genauer zu verstehen, erscheint es sinnvoll, einen Blick zurück in die Vergangenheit zu werfen.



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